22.10.2014 | Kanu (Allg.)

„Mut zur Lücke“ -Freya again on Tour (Südamerika-Etappe #4)

Freya Hoffmeister ist wieder unterwegs. Nunmehr das vierte Jahr! Sie will jetzt endlich die Umfahrung von Südamerika im Kajak zum Abschluss zu bringen.

1. Etappe startete sie am 30.8.11 von Buenos Aires (Argentinien) aus. Sie dauerte 247 Tage, während denen 7.676 km zurückgelegt wurden.

Die 2. Etappe begann am 25.8.12 in Valparaiso (Chile) und dauerte 228 Tage (7.736 km).

Von der kolumbianisch-venezuelanischen Grenze brach Freya zu ihrer 3. Etappe auf. Sie endete nach 193 Tagen im 5.498 km entfernten Humberto des Campos (Sao Luis / Brasilien).

Eigentlich wollte Freya am Ende der 3. Etappe in Fortaleza (Brasilien) anlanden. Aber bis dahin hätte sie einen ca. 600 km langen Brandungsgürtel überwinden müssen. Sie startete wohl noch am 25.4.12 einen Versuch durch die Brandung. 2-3 m hohe Brecher und Gegenwind & -strom ließen sie jedoch kaum vorankommen. Teilweise paddelte sie nur im Zeitlupentempo, d.h. mit 1-2 km/h statt mit dem sonst üblichen Gepäckfahrtentempo von  4-5 km/h. Nur 15 km kam sie an diesem Tag voran. Das gab ihr den Rest und raubte ihr ganz plötzlich sämtliche Motivation, im Endstadium ihrer 3. Etappe auch nur noch einen einzigen Tag dort entlang der Brandung zu paddeln.

Brandung bis über den Horizont hinaus

Fast 6 Monate später kehrte nun Freya am 19.10.14 wieder zurück und schlug ihr erstes Nachtlager genau an jenem Strandabschnitt auf, wo sie bei ihrer 3. Etappe aufgab und zum nächstgelegenen Ort Humberto des Campos zurückpaddelte. Gute Bekannte aus San Luis haben sie vom nahen Flughafen abgeholt und auf Umwegen über Travosa direkt an den Strand gebracht.

Einen Tag später, am 20.10.14, war es dann so weit. Es sollte ihr 669. Fahrtentag werden. Aber die Gewässerbedingungen ließen keine Freude aufkommen. Sie waren schlechter, als sie am 25.4.14 beschloss, ihre 3. Etappe zu beenden. Es blies ein 5er Gegenwind. Der Brandungsgürtel reichte bis zum Horizont. Das war das erste Mal, dass Freya in ihrem Blog zugestand, keinen Drive mehr zu haben, bei diesen Bedingungen auf Tour zu gehen; denn solche Wind- und folglich Seegangsbedingungen waren in dieser Region nicht nur für Oktober, sondern für das ganze Jahr typisch.

Frühestens nach ca. 1.000 km etwa in Höhe von Touros (Santa Luzia), wahrscheinlich jedoch erst nach weiteren ca. 350 Kilometern in Recife, nahe des östlichen Punktes Brasiliens, konnte Freya mit einer Verbesserung der Gewässerbedingungen rechnen, d.h. mit Wind & Strömung von achtern und das alles bei weniger Brandung.

„Mut zur Lücke“

Der „Knoten“ in ihrem Bauch, den sie sofort spürte, als sie mit ihren Bekannten aus Sao Luis am Strand stand und hinaus auf die offene, weiße See schaute, hatte sich am nächsten Tag, ihrem Starttag zur 4. Etappe zu einem „Doppelknoten“ entwickelt; denn Freya wurde hier mit Gewässerbedingungen konfrontiert, die sie bislang an Land „aussaß“. Hier war nur an ein Paddeln während der Ebbzeit möglich, eigentlich nur zwischen 2 Std. nach Hochwasser bis Niedrigwasser, d.h. ca. 4 Std. Nur während dieser Zeit brandeten die Brecher mit weniger Wucht auf den mehr oder weniger steilen Strand. Was für Aussichten. Bei 2-3 km/h Fahrtengeschwindigkeit käme sie dann täglich max. 12 km voran. D.h. statt ca. 25 Paddeltage würde sie nun über 80 Paddeltage benötigen, um dann endlich mit Unterstützung des „Südost-Passats“ und des „Brasil-Stroms“ gen Süden zum immerhin noch ca. 4.500 km entfernt liegenden Buenos Aires (Argentinien) paddeln können, ohne tagtäglich beim Starten und Anlanden durch die Brandung mit dem Risiko leben zu müssen, nicht nur ihre Ausrüstung zu verlieren, sondern gleich auch noch ihr Leben. Freya hatte also eine Entscheidung zu treffen. Das fiel ihr dieses Mal nicht so leicht wie damals während ihrer 2. Etappe, als sie erkannte, dass Gegenwind & -strom es ihr unmöglich machten, Südamerika in drei Etappen zu umrunden:

„Was soll das? Nur um die erste Person zu sein, die diesen nicht enden wollenden Sandstrand entlang gepaddelt ist, und das gegen den Wind? Nur um die erste und einzige Person zu sein, die Südamerika vollständig umrundet hat? Ja, das ist mein Ziel und es bleibt mein Ziel …. auch wenn es jetzt eine kleine „Lücke“ bekommt. Diesen „Mut zur Lücke“ zu haben, das fällt mir verdammt schwer. Fühlte ich mich doch nach 6 Monaten „Urlaub vom Paddeln“ fit, die Umrundung zu vollenden. Es war wohl meine härteste Entscheidung, die ich - seitdem ich hier in Südamerika unterwegs bin – getroffen habe, aber wohl auch meine vernünftigste. Nein, ich will nicht, dass ich eines Tages das Paddeln hassen werde, wozu es aber unweigerlich nach wenigen Tagen kommen würde, wenn ich mich daran machte, jetzt bei diesen Gewässerbedingungen die Umrundung lückenlos fortzusetzen. Was soll’s? Ich glaube, ich habe bewiesen, dass ich bei jeden Bedingungen paddeln kann, und zwar über Tage & Nächte, über Wochen und Monate. Die Freude am Paddeln war meine Motivation. Was spricht dafür; diese Freude aufs Spiel zu setzen? Vielleicht musste ich erst 50 Jahre auf dem Buckel haben, um dies zu erkennen und diese Entscheidung, auf eine „lückenlose“ Umrundung von Südamerika zu verzichten, treffen zu können?“

http://freyahoffmeister.com/2014/10/20/update-from-sat-phone-26/

Freya hofft nun, dass ihre Bekannten aus Sao Luis sie abholen und zum ca. 1.300 Küstenkilometer entfernt liegenden Recife bringen werden. Das kann etwas dauern & kosten. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht nutzt sie ja den Transfer, um entlang der Küste vorbei an Camocin, Fortaleza, Macau und Touros zu fahren und die Küste mal aus der Autofahrerperspektive kennen zu lernen? Vielleicht ändern sich ja auf dem Weg zur Ostecke Brasiliens zumindest die Wind- und somit auch die Seegangsbedingungen? Vielleicht hält sie es dann an Land nicht mehr aus? Vielleicht hat sie dann wieder Lust zum Paddeln, Paddeln, Paddeln ……?

Text: Udo Beier

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