Die Top drei des Vorjahres – Thilo Schmitt (GER), Sam Sutton
(NZL) und Michele Ramazza (ITA) – waren automatisch für das
Finale an der Wellerbrücke gesetzt. 45 weitere Extrempaddler
konnten sich am Freitag für den Wettkampf qualifizieren. Die
insgesamt 48 Finalisten traten zunächst in einem
‚Head-to-Head’-Format gegeneinander an. Der beste Fahrer der
Qualifikation ‚duellierte’ sich mit Platz 48, der zweite mit
Platz 47 und so weiter. Der jeweils schnellere Kajaker eines
Laufs zog weiter in die nächste Runde. Auch die TOP 24 traten
wiederum in einem Kopf-an-Kopf Modus gegeneinander an. Dieses
K.O.-System stellte sicher, dass auch Paddler aus dem
Mittelfeld eine faire Chance hatten, sich mit guter Technik
nach vorne zu arbeiten und dass die Schnellsten erst in der
letzten Runde aufeinandertrafen. Drei ‚Lucky Loser’ zogen
ebenfalls in die Runde der TOP 15 ein. Demzufolge kämpften die
Besten der Besten im Superfinal um Edelmetall. Jeder in diesem
hochkarätig besetzten Feld hatte Chancen auf den Sieg, daher
durfte man sich nicht den geringsten Fehler leisten.
Der Franzose Fabrice Pouyeto eröffnete die finale Runde, die in
umgekehrter Reihenfolge gestartet wurde (der schnellste der TOP
24 startete als letzter, der langsamste zuerst). Seine Zeit von
1:04,05 sicherte ihm zunächst den Platz im Hotseat Whirlpool an
der Seite der amtierenden Miss Tirol, Christina Keil. Pouyetos
Zeit wurde erst sechs Läufe später vom letztjährigen Sieger
unterboten. Thilo Niklas Schmitt (GER) schaffte es, den
Franzosen zu entthronen. Hochkonzentriert legte der Deutsche
einen Superlauf auf dem 280 Meter langen anspruchsvollen
Wildwasserkurs der Schwierigkeitsstufe V-VI hin. 1:02.16 zeigte
die Uhr als der ‚Noch-Gewinner’ die Lichtschranke durchbrach.
Führung und Hot Seat. Doch die Hälfte der Finalisten stand noch
am Start – wie lange würde Schmitt den Platz im Softub
Whirlpool halten können?
Alexander Grimm (Kanu-Schwaben / GER), der als nächstes an der
Reihe war, streifte gleich nach dem Felsstart einen Stein. Doch
der athletische Slalomfahrer brauchte nur ein paar kräftige
Paddelschläge, um sich wieder auf Kurs zu bringen. Da sich der
Olympiasieger von Peking eher in einem aalglatten Boot auf
einem künstlichen Kurs zuhause fühlt als in einem Plastikkajak
auf turbulentem Wildwasser, dachten viele seiner Mitstreiter,
er habe keine Chance. Schließlich war die Sickline Extreme
Grimms erstes Extrem-Wildwasserrennen. Als er jedoch den drei
Meter hohen Wasserfall in nur 50 Sekunden erreichte, war jedem
klar, dass sie ihn verkannt hatten. Mit einer Zeit von 1:00.46
nahm Grimm den Hotseat ein, noch bevor Thilo Schmitt es sich an
der Seite von Miss Tirol im 38 Grad warmen Wasser gemütlich
machen konnte.
Andrew Holcombe (USA), einer der heißen Anwärter auf den Titel,
der in den vorangegangen Runden bereits Läufe unter einer
Minute hingelegt hatte, musste Grimms Zeit nun unterbieten.
Getreu seiner Holcombe-Manier sah es so aus, als würde er den
Lauf ganz entspannt angehen. Tatsächlich raste er aber
flussabwärts und fuhr dabei sehr sauber. Holcombe kam gut durch
und als er den letzten Drop ebenfalls in 50 Sekunden erreichte,
sah es schon so aus, als ob der Green Race-Sieger den Slalom
Champion entthronen könnte. Doch an der Wellerbrücke muss man
mit allem rechnen. Selbst der klitzekleinste Fehler kann einen
Paddler wertvolle Sekunden kosten. Unmittelbar nach dem Drop
blieb Holcombe stecken und wurde nach links weggedrückt wo er
eben diese Sekunden verlor. Die Lichtschranke stoppte ihn bei
1:02.09. “Natürlich wollte ich unbedingt aufs Podium. All meine
Linien waren gut, aber im letzten Abschnitt habe ich meine
volle Leistung irgendwie nicht abrufen können“, analysierte
Holcombe enttäuscht. „Ich habe ja gesagt, man gewinnt dieses
Rennen am Start, aber man verliert es im letzten Drittel. Bei
einem so harten Wettkampf auf einer der schwierigsten
Wildwasserstrecken der Welt muss einfach jeder Paddelschlag
sitzen.“
Jakobus Stenglein (GER), Team Slalom Weltmeister 1999, hatte
aufgrund eines Rippenbruchs nur zwei Wochen für die adidas
Sickline Extreme trainieren können. Nichtsdestotrotz hatte er
es bis ins Superfinale geschafft und auch in seinem letzten
Lauf legte der Augsburger Polizist einen guten Start hin. Im
Gegensatz zu den meisten Finalisten wählte er die rechte Linie
durch die Schlüsselstelle (Core Section). Stenglein versteht es
ausgezeichnet, Wildwasser zu lesen. Im turbulenten Mittelteil
vertraute er seinem Instinkt und wurde dafür mit der
Bronzemedaille belohnt. Seine Zeit: 1:01.87. Seinen
Erfolg führt er auf eine gute Grundfitness und die mentale
Vorbereitung zurück. „Vom Kopf her habe ich mich superfit
gefühlt und wirklich daran geglaubt, dass ich eine Medaille
gewinnen kann. Aber es war richtig hart, denn ich musste mich
Runde um Runde in die Top 15 kämpfen. Der Start war heftig,
aber das habe ich am letzten Drop rausgeholt. Ich hatte den
ganzen Tag Probleme in der Core Section. Die ist zwar nur 20
Meter lang, aber sehr kräftezehrend. Entscheidend ist, dass man
den richtigen Instinkt für das Wasser hat. Das unterscheidet
die erfolgreichen Paddler von den anderen. Deshalb war auch
nicht jeder Slalomfahrer so gut wie Alexander. Er hat diesen
Instinkt.“
Sam Sutton (NZL), Zweiplatzierter von 2008, wollte sich
unbedingt die Goldmedaille erkämpfen, die er letztes Jahr um
elf Hundertstel verpasst hatte. Sutton hatte sich monatelang
auf den Wettkampf vorbereitet, war in Top Form und fuhr im
Training konstant gute Zeiten. Sogar die Zuschauer konnten
sehen, dass der Neuseeländer schneller war als seine Vorgänger.
Sutton fand eine perfekte Linie durch die 20 Meter lange
Schlüsselstelle und erreichte den letzen Drop nach nur 49
Sekunden – schnellste Zwischenzeit. Doch in der Landung wurde
Sutton nach links weggedrückt. Dort platzte sein Traum vom
Titel. Mit einer Zeit von 1:02.32 sicherte er sich den siebten
Platz und blieb damit weit hinter seinen Erwartungen. Die
Enttäuschung stand dem 21jährigen Neuseeländer in Gesicht
geschrieben. „Ich bin stinksauer. Ich hatte einen Superlauf und
dann passiert mir so ein blöder Fehler am letzten Drop. Mein
Boot ist stehen geblieben und ich musste wieder in den Katarakt
zurückpaddeln. Das ist mir vorher bei keinem einzigen Lauf
passiert, auch nicht im Training. Ich bin echt
enttäuscht!“
Suttons Landsmann Mike Dawson (NZL) war der letzte, der
Alexander Grimm die Goldmedaille noch streitig machen konnte.
Während der erfahrene Extreme Racer auf seinen finalen Lauf
wartete, ging er vor seinem geistigen Auge noch einmal die
Rennstrecke durch. Nach dem Felsstart landete Dawson zu weit
rechts, doch mit ein paar kräftigen Paddelschlägen brachte er
sich zurück auf Kurs. Im Mittelteil streifte sein Paddel einen
Stein, ansonsten blieb sein Lauf fehlerfrei und auch er
erreichte den finalen Drop in 50 Sekunden. Die Lichtschranke
stoppte ihn bei 1:01.15. Zweiter Platz. „Natürlich war mein
Ziel dieses Rennen zu gewinnen, aber der Zweiter zu werden ist
fantastisch. Ich freue mich auch riesig für Alex. Wir haben
schon viele Slalomrennen zusammen bestritten und dies war sein
allererstes Extreme Race. Daher freue ich mich, dass wir
gemeinsam auf dem Podium stehen. Allein die
Wellerbrückenstrecke drei Mal hintereinander ohne Blessuren
herunter gekommen zu sein ist schon großartig. Und jetzt sitze
ich hier im wunderschönen Ötztal in einem Whirlpool neben Miss
Tirol mit einem Bier in der Hand. Besser kann der Tag nicht
enden!“ Auf die Frage, was er unter Sickline versteht
antwortete Dawson: „Für mich ist eine Sickline, die sauberste
Linie, die mühelos aussieht. Aber eine Sickline kann Dich auch
rollen und Du tauchst mit einer gebrochenen Nase wieder auf.
Heute war die Sickline auf jeden Fall die schnellste
Linie!“
Der Olympiasieger 2008 und frisch gebackene adidas Sickline
Extreme Champion verblüffte seine Gegner. Doch Alexander Grimm
überraschte am allermeisten sich selbst, wie er nach dem Rennen
bescheiden zugab. “Heute habe ich mich selber übertroffen. Vor
dem Rennen stand ich am Ufer und habe mir den Kurs angeschaut.
Das Wasser war so wuchtig. Ich war unglaublich nervös und
wusste nicht, was ich machen sollte. Ich habe niemals damit
gerechnet, es überhaupt ins Superfinale zu schaffen geschweige
denn eine Zeit von 1:00,46 zu fahren. Heute Morgen hätte ich
nicht daran geglaubt, hier gewinnen zu können und jetzt sitze
ich hier in diesem Pool. Ich denke, es war eine Kombination aus
körperlicher Fitness und der Gabe, die richtige Linie zu
finden, die mir zum Sieg verholfen hat. Und natürlich etwas
Glück, denn das gehört auch dazu. Auf einer so turbulenten
Strecke kann alles passieren. Du triffst einen Stein und
verlierst gleich ein paar Sekunden. Aber ich hatte heute nach
jedem Lauf ein gutes Gefühl, denn ich habe jedes Mal etwas dazu
gelernt und mich verbessert. Mein letzter Lauf war der beste.
Nach der Slalomsaison war ich auf der Suche nach einer neuen
Herausforderung. Ich wollte mal etwas ganz anderes
ausprobieren. Mein WM-Ergebnis war nicht so gut und die
Vorbereitung auf dieses Rennen hat meinen Kopf wieder frei
gemacht.“
Auf die Frage wie sich der unerwartete Erfolg nun anfühlt,
sagte Grimm: „Nun, ich sitze hier in einem Whirlpool mit einer
Goldmedaille um den Hals, Miss Tirol an meiner Seite und einem
Bier in der Hand. Es fühlt sich verdammt gut an!“
1. Alexander Grimm /GER/Kanu Schwaben mit
1.00.46 Minuten
2. Mike Dawson/NZL mit 1.01.15
3. Jakobus Stenglein/ GER/Kanu Schwaben mit
1.01.87
4. Dejan Kralj/ SLO mit 1.02.07
5. Andrew Holcombe / USA mit 1.02.09
6. Thilo Schmitt / GER / RKV Bad Kreuznach
mit 1.02.16 (Vorjahres Weltmeister WW)
7. Sam Sutton / NZL mit 1.02.32 (Vorjahres
Vize Weltmeister)
8. Michele Ramazza / ITA mit 1.02.90
(Vorjahres Dritter der WW WM)
9. Eric Deguil / FRA mit 1.03.93
10. Fabrice Poueyto / FRA mit 1.04.19
11. Ralf Schaberg / GER mit 1.05.22
12. Jakub Nemec / CZE mit 1.06.58
13. Andraz Krpic / SLO mit 1.08.40
14. Daniel Mairgrinter / ITA mit
1.08.79
15. Thomas Waldner / ITA mit 1.16.92
Die komplette Ergebnisliste finden Sie unter: www.adidas-sickline.com
Pressemitteilung des Veranstalters
Bild: M. Arnu
