Seit 2008 ist der Maschinenbau-Ingenieur in der Slalomkommission des ICF Weltverbandes tätig, die Olympischen Spiele sind auch sein Höhepunkt – sei es als Teilnehmer 2000 (und Goldmedaillengewinner) oder als Kursdesigner und Video Judge in London und nunmehr auch in Rio de Janeiro.
MS: Vor vier Jahren wurdest Du in allen Medien als der
„Kanalarbeiter“ betitelt. Hier nochmals die Rückschau: „Der
wohl berühmteste Londoner Kanalarbeiter kommt aus Deutschland.
Thomas Schmidt ist am Wildwasser-Kanal des Lee Valley White
Water Centre bei den olympischen Wettbewerben im Kanu-Slalom
für das Aushängen der Tore verantwortlich“ – diese schwere
Bürde hattest Du 2012 bei den Olympischen Spielen London/Lee
Valley und nunmehr auch im Wildwasserpark in Rio de Janeiro
„Deodoro Freizeitpark“.
Lastet diese Bürde auf Dir und konntest Du die neu gebaute
Strecke schon live sehen?“ Wie unterscheidet sie sich von der
„ersten künstlichen“ Strecke in Augsburg, die Du ja sehr gut
kennst als Augsburger und Schwabenkanute.
TS: Es ist keinesfalls eine Bürde, vielmehr eine große Freude,
bei solch einem Event die Strecke aushängen zu dürfen. Ähnlich
wie in London durfte ich auch die Strecke in Rio schon in
Augenschein nehmen. Im vergangenen November fand dort das
sogenannte olympische Test Event statt. Auch dort durfte ich
zusammen mit Marianne Agulhon die Strecke für die Test
Wettkämpfe designen. Das war harte Arbeit, da die Strecke zu
dem Zeitpunkt gänzlich neu war und unglaublich viele Optionen
bietet. Die Strecke unterscheidet sich allerdings komplett vom
Augsburger Eiskanal. Zwar ist es auch eine Kunststrecke, aber
wie heute fast üblich wird das Wasser nach oben gepumpt. Der
Kanal ist ansonsten viel kürzer und komprimierter, kommt auch
mit weniger Wasser aus. Die Einbauten, die letztlich dem Kanal
den Feinschliff geben und seine Wildwasserelemente verleihen
sind aus Kunststoff und können im ansonsten gerade verlaufenden
Flussbett versetzt werden.
MS: Wann reist Du bzw. Ihr beide an, wo seid ihr untergebracht
und was sind Eure genauen Aufgaben?
TS: Ich fliege am 1. August nach Rio, dadurch ist noch
genügend Zeit, um sich auf die Strecke einzustellen und Ideen
für die Toraushängung zu sammeln. Nicht zuletzt, da die Strecke
seit November letzten Jahres noch einmal leicht modifiziert
wurde. An den Einbauten wurde etwas gefeilt, um faire
Verhältnisse auf der ganzen Strecke zu schaffen. Untergebracht
sind wir dann in der Nähe von Deodoro in einem „kleinen“
Olympischen Dorf. Dort sind einige der Funktionäre, die alle im
Deodoro Park tätig sind untergebracht. Somit ist die tägliche
Anreise etwas verkürzt, das erleichtert die Arbeit vor
Ort.
MS: Werden die Strecken jetzt neuerdings noch schwerer
ausgehängt, ist das auf dem neugebauten Kurs in Deodoro so ohne
weiteres möglich? Was gilt es hier besonders zu beachten?
TS: Die Strecke in Deodoro ist vom
Wildwasser-Schwierigkeitsgrad vielleicht nicht die
allerschwierigste. Das ist sicher der späteren Nutzung
geschuldet. Wir werden damit nicht Verhältnisse wie in London
oder z.B. Pau vorfinden. Es gilt daher wiederm, den üblichen
Spagat zu meistern, die Strecke anspruchsvoll genug für die
besten Herren und nicht zu schwer, für die vielleicht nicht
ganz so starken Damen auszuhängen. Das gilt insbesondere für
das olympische Starterfeld, das gegenüber einer
Weltmeisterschaft doch etwas erlesener ausfällt. Die Anzahl der
Startplätze ist limitiert. Aus jeder qualifizierten Nation darf
nur EIN Boot an den Start, da sollte die Strecke für alle
anspruchsvoll gestaltet sein.
MS: Rio de Janeiro sorgt ja seit Monaten und gerade in den
letzten Wochen für sehr viel „negative Schlagzeilen“ – ist Dir
da nicht bang davor – Zika Virus, Abfallprobleme, Kriminalität,
Finanznot usw.?
TS: Das sind die üblichen Schreckensnachrichten vor solchen
Events. Es kommt immer darauf an wohin man genau schaut. Bei
meinem Besuch im November sind mir schon einige Dinge
aufgefallen, die waren nicht wirklich schön. Auffallend ist der
große Unterschied zwischen arm und reich. Ich gehe aber davon
aus, dass in der Zeit der olympischen Wettkämpfe vieles auf
Vordermann gebracht wird und dass man beim Veranstalter alles
Mögliche unternehmen wird, um die Sicherheit der Spiele zu
gewährleisten.
MS: Wird Deine Familie auch mit vor Ort sein und wie lange
wirst Du überhaupt am olympischen Leben teilnehmen können.
Besuchst Du auch andere Sportarten?
TS: Ich reise alleine, da ich in erster Linie mit einem
Auftrag vor Ort bin. Planmäßig komme ich am 14. August wieder
zurück, d.h. es ist im Anschluss an die Slalomwettkämpfe noch
ein Puffertag vorgesehen, sollte wirklich etwas für eine
Verschiebung im Zeitplan sorgen, wovon wir hoffentlich keinen
Gebrauch machen müssen. Ich bin also fast zwei Wochen vor Ort,
da sollte es irgendwo möglich sein, mal irgendein Event zu
besuchen. Ideal ist natürlich der Deodoro Park, dort sind
gleich mehrere Sportarten, vielleicht klappt ja mal ein
Abstecher.
MS: Ganz zum Schluss, noch ein paar Fakten zu den Kanu-Slalom
Wettbewerben, wie ist die Strecke konzipiert, ist sie
nachhaltig, wann beginnen die Wettkämpfe und werden auch
Schulklassen im Trainingsbetrieb die Sportart besuchen dürfen?
Du siehst, viele Fragen, aber wir sind auf Informationen über
den Wildwasserpark in Deodoro im Herzen der Stadt Rio de
Janeiro schon sehr gespannt.
TS: Der Kanal erfüllt alle Anforderungen an eine spätere
kostengünstige Nutzung. Hier haben wir seitens ICF großen Wert
darauf gelegt. In Zahlen bedeutet das, mit 250m Länge, einem
Gefälle von 4,5 m bei einem Wasserdurchfluss von 12m³/sec ist
das vergleichsweise wenig. Anders ausgedrückt, man hat aus der
Vergangenheit gelernt, den Kurs sehr effizient gestaltet und
ähnlich wie beim Augsburger Eiskanal die Strömungsverhältnisse
zuvor mit einem Modell simuliert. Neben der Wettkampfstrecke
gibt es noch einen einfacheren Trainingskurs. Außerdem wird der
Aufwärmsee später der Öffentlichkeit als Schwimmbad dienen.
Damit wurde ein starkes Paket geschnürt, damit nicht nur der
Kanusport, sondern auch die gesamte Bevölkerung davon
profitiert. Die Kanu-Slalom Wettkämpfe beginnen traditionell
recht früh im Verlauf der Spiele. Am Tag 2, also dem 07.08.,
geht es mit den Qualifikationsläufen los, die ersten Medaillien
werden am Tag 4 vergeben und bis zum Tag 6 (11.08.)
können wir dann auch hoffentlich erfolgreiche deutsche
Sportler, vielleicht sogar aus Augsburg, feiern. Es wird auf
jeden Fall spannend.
MS: Thomas, wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir
vor Ort eine gute Streckenführung und sei wieder ein guter
„Kanalarbeiter“ wie 2012 in London. Wir drücken Dir und dem DKV
Team Rio 2016 von hier aus ganz fest die Daumen und ganz
besonders den beiden Schwabenkanuten Melanie Pfeifer und
Sideris Tasiadis, welche bei den olympischen Spielen in Rio
teilnehmen.
Marianne Stenglein / Referentin für Presse / Kanu Schwaben Augsburg/11.07.2016
