Als Augenzeuge der begeisternden Rennen des heutigen Finaltages sprach Dr. Michael Vesper, Generaldirektor des DOSB und Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft von „tollen Eindrücken“, die er von den Kanu- Wettkämpfen gewonnen habe: „Es waren sehr enge Rennen mit großer internationaler Konkurrenz, in der nicht nur kleine Gruppen von Nationen dominieren, sondern auch viele neue dazugekommen sind. Mein Respekt gilt dem Deutschen Kanu-Verband, der es geschafft hat, dass seine Sportler hier auf dem Punkt fit waren.“
Youngster düpieren die Prominenz im Canadier-Zweier
Auf den Punkt fit und noch dazu außerordentlich nervenstark präsentierten sich die Youngster im deutschen Team Peter Kretschmer und Kurt Kuschela im Finale der Zweier-Canadier über 1.000m. Als wäre es nicht ihre Olympia-Premiere und sie selbst erfahrene Canadier-Recken, narrten die beiden Potsdamer zur großen Überraschung nicht nur in den deutschen Reihen die gesamte namhafte Konkurrenz und verwiesen mit einem couragierten Finish die Olympiasieger von Peking Bahdanovich/Bahdanovich (BLR) und das russische Duo Korovashkov/Pervukhin auf die Plätze zwei und drei. Nach der Siegerehrung strahlten beide übers ganze Gesicht und mit dem Glanz ihrer Goldmedaillen um die Wette: „Das war ein wunderschönes Gefühl“, schwärmte Peter Kretschmer und verriet das schlichte Geheimnis ihres Triumphes: „Wir sind einfach unser Rennen gefahren. Wir haben uns schon beim Einfahren gesagt, wir haben nichts zu verlieren. Und im Endspurt waren wir dann so schnell an den anderen Booten dran, Kurt hat so geschoben – da wusste ich, das stehen wir bis zum Ende durch.“ Und wie sie es geschafft hätten, mit dem ganzen Druck bei Olympia klarzukommen, dazu bemerkte Kurt Kuschela: „Natürlich sind Olympische Spiele etwas Besonderes. Wir waren uns aber klar darüber, dass wir das ausschalten und uns nur auf unseren Wettkampf konzentrieren müssen, so wie auch bei einer U23-EM, einfach von A nach B paddeln.“
Damen-Zweier paddelt den Ungarinnen auf und davon
Dass sie bei ihrer Olympia-Premiere gleich mit zwei Medaillen, mit Gold im Zweier und Silber im Vierer nach Hause fahren würden, das hätten sich auch Franziska Weber (Potsdam) und Tina Dietze (Leipzig) nicht träumen lassen. Sie gewannen für den DKV im K2 über die 500m-Distanz das zweite Gold des Tages und distanzierten dabei die Olympiasiegerinnen von Peking Kovacs/Douchev-Janics um mehr als eine Sekunde. Bronze ging an das polnische Boot Naja/Mikolajczyk. "Das ist so unfassbar", meinte eine überglückliche Franziska Weber unisono mit ihrer Zweierpartnerin Tina Dietze. „Wir haben schon oft von einem perfekten Rennen gesprochen, aber das heute war noch mehr als das. Als wir am Start standen, war die ganze Aufregung zuvor verflogen und auf den letzten 100 Metern waren wir in einer so guten Position, da wusste ich, wir haben die Chance zu gewinnen.“ Auch Tina Dietze war noch nach der Siegerehrung hingerissen von dem, was da Minuten zuvor passiert war: „Mir fehlen immer noch die Worte“, sagte sie und bekannte zu ihrem bravourösen Rennen, „am Ende noch nie so viel Kraft gehabt“ zu haben.
Herren-Vierer nicht mit dem Glück im Bunde
Eine Medaille hatte auch der K4 der Herren angestrebt, wohl wissend, wie schwer dies im engen Feld der Finalisten mit einem halben Dutzend Siegkandidaten werden würde. Schon als eine Medaille fast aussichtslos schien, fuhr das DKV-Quartett mit Marcus Groß, Norman Bröckl (beide Berlin), Tim Wieskötter (Potsdam) und Max Hoff (Essen) auf den letzten 250 Metern noch einmal an die Spitze heran, die drei führenden Boote konnte das Herren-Flaggschiff allerdings nicht mehr erreichen. So blieb nur Platz vier hinter Olympiasieger Australien und den Booten aus Ungarn und der Tschechischen Republik. „Wir sind schon einen Endspurt über 250m gefahren, mehr geht eigentlich kaum, und dann doch mit Rang vier in den sauren Apfel beißen zu müssen und ohne Medaille dazustehen, ist schon ärgerlich“, meinte wie seine Bootskollegen sichtlich enttäuscht Norman Bröckl. Und Max Hoff unterstrich, „wir haben schon versucht, offensiver loszufahren als im Vor- und Zwischenlauf und hatten uns auch vorgenommen, im Mittelstück dranzubleiben. Aber die anderen waren verdammt schnell. Ich kann mit Bronze im Einer noch ganz zufrieden sein, mir tut es jedoch für die Jungs leid, dass wir jetzt keine Medaille im Vierer haben“, sagte der Essener zu ihrem Rennen, von dem Herren-Bundestrainer Detlef Hofmann sagte, es sei ihr bestes in diesem Jahr gewesen: „Zehn Meter länger oder etwas Gegenwind, und es hätte wohl gereicht“, so der Coach.
Von „Schadensbegrenzung“ sprach die viermalige Olympiasiegerin Katrin Wagner-Augustin nach ihrem Sieg im B-Finale der Damen im K1 über 500m, das sie vor der Polin Aneta Konieczna und der Portugiesin Teresa Portela gewann. „Mir war schon klar, dass ich hier gewinnen musste, um zu zeigen, was ich kann. Man sieht hier, dass auch die anderen nicht schlafen und die Weltspitze auch bei den Damen enger zusammengerückt ist. Es ist schon ein Stück härter geworden“, so die Potsdamerin bei ihrem Olympia-Fazit.
Imponierende Bilanz und Hochachtung für alle Athleten
Insgesamt jedoch zeigte sich Chefbundestrainer Reiner Kießler „richtig glücklich“ mit der bisherigen Bilanz des DKV-Teams. Und zu den heutigen Ergebnissen bemerkte er: „Das war Klasse, wie die Sportler den Tag gestaltet haben. Beide Siege waren richtig gut herausgefahren und auch das Rennen des Vierers war gut, leider hat es nicht für eine Medaille gereicht.“ Auch DKV-Sportdirektor Dr. Jens Kahl, der die Rennen allein von der Pressetribüne aus verfolgt hatte, sah sich in seinen Erwartungen nach der „Initialzündung“ durch die erste Medaille von Max Hoff am Tag zuvor bestätigt. „Das hat schon mal eine Last von der Mannschaft genommen. Auch wenn nicht alles aufgeht, so haben wir doch gesehen, vieles geht auf. Die heutigen Goldmedaillen sind der beste Beweis.“ DKV-Präsident Thomas Konietzko gab zu, in der Nacht „unruhig geschlafen“ zu haben, „nachdem am ersten Finaltag nicht alles so wie vorgestellt gelaufen war. Dass es nun heute zwei Goldmedaillen geworden sind, freut mich umso mehr. Aber ob nun Erster oder Vierter, die Jungs und Mädels haben alle Hochachtung verdient“, so der Präsident.
Alle Ergebnisse unter: www.london2012.com/canoe-sprint
Text: H.-P. Wagner
