150 der weltbesten Wildwasserkajaker aus 26 Nationen trafen
sich im beschaulichen Ortchen Oetz, um auf dem als Wellerbrücke
bezeichneten Abschnitt der Ötztaler Ache, einer der
schwierigsten und legendarsten Wildwasserstrecken der Welt, um
den Titel zu kämpfen.
Im Vergleich zum Vorjahr fiel das Finale der Top 15 der
Sickline 2010 zwar weniger knapp, aber nicht minder spannend
und emotional aus. Während 2009 nur hundertstel Sekunden
zwischen Platz 1 und 2 lagen, sicherte sich diesmal der
22-jährige Neuseeländer Sam Sutton den Titel mit einem
komfortablen Vorsprung von 2,14 Sekunden vor Michele Ramazza
aus Italien (1:00.99) und Lukas Kalkbrenner aus (Kanu Schwaben
Augsburg / Deutschland in 1:01.13).
Mit einer unglaublichen Zeit von nur 58,85 Sekunden erzielte
Sutton nicht nur einen neuen Streckenrekord, der adidas
Sickline Athlet war auch der einzige der 15 Finalisten, der die
1-Minuten-Schallmauer im Superfinal durchbrach. Mike Dawson aus
Neuseeland, Silbermedaillengewinner des Vorjahres, und Thilo
Schmitt, Sickline Gewinner 2008, hatten zwar im Semifinale
Zeiten unter einer Minute hingelegt, konnten aber im
entscheidenden letzten Rennen diese Leistung nicht
wiederholen.
Der Finaltag an der Wellerbrücke begann zunächst mit 48
Finalisten. Nach zwei K.O. Runden mit jeweils 2 "Lucky Losern"
kämpften die Besten der Besten im Superfinal der Top 15 um
Edelmetall. Jeder in diesem hochkaratig besetzten Feld hatte
Chancen auf den Sieg, daher durfte man sich nicht den
geringsten Fehler leisten. Die Nervosität war den Kajakern
deutlich ins Gesicht geschrieben.
Den Auftakt machte "Lucky Loser" Basti Lexa. Mit einer Zeit
von 1:08,47 durfte er als erster im Softub Whirlpool neben Miss
Tirol 2009, Christina Keil, Platz nehmen. Die von ihm
vorgelegte Zeit konnte erst drei Läufe später von "Lucky Loser"
Paul Bokelmann (1:07.73) unterboten werden, der jedoch gleich
darauf von Michele Ramazza aus dem Whirlpool vertrieben
wurde. Der 26-jährige Italiener besetzte den Hot Seat bis
Sam Sutton an den Start ging und die perfekte, fehlerfreie und
schnellste Linie durch das 6 Grad kalte Wildwasser fand.
Ramazza legte die 280 m lange Strecke durch den Gletscherfluss
in einer Zeit von 1:00.99 zurück und es schien, als konnte er
sich damit einen Platz auf dem Podium sichern.
Dejan Kralj, einer der erfahrensten Wildwasserkajaker im Feld
und schnellster der Qualifikation, startete gleich nach
Ramazza. Kralj war zwei Jahre in Folge vierter bei der Sickline
WM und hoffte, in diesem Jahr endlich den Sprung aufs Podium zu
schaffen. Obwohl er einen soliden Lauf hinlegte, wurde er am
letzten Drop, dem "Champions Killer" ins Kehrwasser gedrangt
und verlor wertvolle Sekunden. "Es ist wirklich schwer auf die
Medaillenrange zu fahren, wenn man sich einen kleinen Fehler
erlaubt, so wie ich heute. Wenn ich Glück habe und mich
nächstes Jahr nicht verletze, dann hoffe ich bei der adidas
Sickline 2011 erneut um Gold zu kämpfen."
Unmittelbar nach dem Slowenen startete der Franzose Eric
Deguil voller Zuversicht, in diesem Jahr endlich den
Weltmeistergurtel zu gewinnen. Wie viele der Extrempaddler aus
aller Welt hatte er sich intensiv auf die Sickline vorbereitet.
Doch auch ihm machte die Wellerbrucke einen Strich durch die
Rechnung. Mit einer Zeit von 1:06.79 wurde er am Ende nur
siebter. Seine erste Reaktion im Ziel: "Ich bin eigentlich ganz
zufrieden mit meinem Lauf. Im ersten Teil bin ich sogar richtig
gut gefahren, aber am Ende war meine Zeit einfach nicht gut
genug. Ich hoffe nachstes Jahr lauft´s besser."
Titelanwärter Sam Sutton folgte als nächstes, selbstbewusst
nach seinen beiden guten Läufen in der K.O. Runde. Und er
erwischte eine Sickline, die perfekte Linie, die ihn
buchstäblich über Katarakte und Wasserfalle fliegen lies.
Suttons fehlerfreier Lauf wurde mit der Tagesbestzeit belohnt.
"Ich hatte groses Glück mit meinen letzten Lauf. Ich habe mir
gesagt, wenn Du ohne Fehler da durchkommst, dann reicht das
wahrscheinlich fürs Podium. Ich habe versucht, mich locker zu
machen und hatte einen reibungslosen, nahezu perfekten Lauf,
was will man mehr? Nachdem er es sich im Whirlpool neben
Christina Keil bequem gemacht hatte, meinte Sutton: "Es fühlt
sich so gut an hier im Hot Seat mit Miss Tirol zu sitzen und
sich endlich mal nicht über Fehler in jedem Lauf ärgern
zu müssen. Ich wusste erst, dass ich richtig schnell war,
als ich meine Zeit sah, es war wahrscheinlich der beste Lauf
meines Lebens und das hat sich einfach super angefühlt.?
Obwohl er das Finale der besten 15 erreicht hatte und zwölfter
wurde, war adidas Athlet Gerd Serrasolses aus Spanien nicht
besonders glücklich, denn in seinem letzten Lauf vermasselte er
die Crux, rollte und wurde kopfüber den letzen Wasserfall
hinuntergespült. "Ich habe mich tierisch unter Druck gesetzt,
weil ich meinen vierten Platz im Semifinale verbessern wollte.
Am Anfang habe ich eine gute Linie erwischt, doch dann habe ich
meinen Lauf ziemlich verhauen und konnte nichts mehr
machen."
Lukas Kalkbrenner zeigte schon in der K.O. Runde eine konstant
gute Leistung und landete nach seinem dritten Platz im
Semifinale auch mit seinem letzten Lauf auf Rang 3. Der
Slalomspezialist genoss es sichtlich, seine gute Leistung im 37
Grad warmen Softub neben Sutton und Ramazza zu feiern. "Ich bin
sehr glücklich, denn mit diesem Ergebnis habe ich wirklich
nicht gerechnet. Mein Ziel war ins Superfinale zu kommen, und
es ist genial, dass ich nun neben Sam und Michele hier im
Whirlpool sitze. Sas ist mit Abstand mein bestes
Wildwasserergebnis. Nächstes Jahr bin ich auf jeden Fall wieder
dabei, denn dieses Event ist einfach grosartig.?
Als nächstes startete einer der haushohen Favoriten, Thilo
Schmitt. Voll konzentriert und mit geschlossenen Augen ging
Schmitt seine Ideallinie und die einzelnen Paddelschläge in
Gedanken noch einmal durch. "Ich war unglaublich nervös vor dem
Start. Es ist so hart, wenn man bis zum Schluss warten muss und
sieht wie die anderen Jungs vor einem Hammerzeiten fahren. Ich
habe mein Bestes gegeben, aber den Champions Killer habe ich
komplett vermasselt." Seine Zeit von 1.01.78 war schnell, aber
nicht schnell genug. Am Ende landete der Sickline Gewinner von
2008 mit 65 Hundertstel Ruckstand auf Lukas Kalkbrenner auf
Rang vier.
Richtig dramatisch wurde es jedoch erst im letzten Lauf, als
der schnellste Paddler des Semifinales und Topfavorit auf den
Titel, Mike Dawson (24) aus Neuseeland, Mühe hatte, überhaupt
ins Ziel zu kommen. Auf halber Strecke erwischte es ihn kalt im
sogenannten "TNT Katarakt", nach einer Rolle wurde Dawson
mehrere Sekunden rückwarts den Katerakt runtergespült und
verlor gleich mehrere Sekunden. Der Teamsieger von 2009 kämpfte
sich zuruck in die Stromung, doch als er die Lichtschranke im
Ziel durchbrach zeigte die Uhr 1:11.39, Platz 13. Sichtlich
enttäuscht paddelte Dawson davon.
Sein Landsmann Sam Sutton dagegen hatte allen Grund zu feiern.
Mit der Goldmedaille um den Hals und dem begehrten Siegergürtel
in der Hand sagte Sam strahlend: "Ich hatte ein geniales Jahr
und ich bin superglücklich die Saison mit einem
Weltmeistertitel beenden zu können. Fur mich ist heute ein
Traum in Erfüllung gegangen. Seit ich mit dem Kajaken begonnen
habe, war das mein Ziel."
Und Vizeweltmeister Michele Ramazza fugte hinzu: "2008 habe
ich Bronze gewonnen, jetzt kommt die Silbermedaille hinzu. Ich
nähere mich dem Titel Schritt für Schritt. Nächstes Jahr hole
ich mir Gold, vorausgesetzt der "Kiwi" lässt mich. Ich liebe
dieses Rennen, denn es ist eine extrem harte körperliche
Herausforderung und erfordert gleichzeitig eine ausgezeichnete
Technik. Und man trifft auf starke Konkurrenz, denn die besten
Kajaker der Welt treffen hier aufeinander. Wir haben jede Menge
Spass uns jedes Jahr im Rahmen des Rennens wieder zu
sehen."
Von Sonja Hamel
Bild: Manuel Arnu
